Schlachtfelder der elektronischen Wüste

Schwes­tern Brüll (AT) /// 
Eva Eger­mann (AT) /// 
EyeBM (AT) /// 
Fritz Oster­may­er (AT) /// 
Tom Lam­ber­ty (DE) ///

Fr, 19. Dezem­ber 2003, 20:00 Uhr /// 
Ober­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­bi­blio­thek, Linz ///

Seit zwei Jah­ren läuft die expe­ri­men­tel­le q_#-Reihe von qujOchÖ. Im Rah­men des Pro­jekts „Schlacht­fel­der der elek­tro­ni­schen Wüs­te“ im Lese­saal der . Lan­des­bi­blio­thek fin­den nun gleich zwei audiel­le Expe­ri­men­te an einem Abend statt. Zum einen tre­ten Eva Eger­mann (Wien) und eine der Schwes­tern Brüll (Wien) an: Unbe­re­chen­bar­keit als Ver­suchs­an­ord­nung, der Ver­such des glor­rei­chen Schei­terns und das Auf­ein­an­der­pral­len von Hero­in­nen und revo­lu­tio­nä­ren Jung­fe­mi­nis­tin­nen tref­fen somit auf­ein­an­der. Zum ande­ren wird durch das Pro­jekt EyeBM mit „what you see is what you hear“ ein audio-visu­el­les Zusam­men- und Gegen­spiel schrott­rei­fer Com­pu­ter­mo­ni­to­re vor­ge­führt. Com­pu­ter­hass­lie­be an der Peri­phe­rie also: „Lang leben die 12- und 13-Zöl­ler, die Bern­stei­ner und Mono­chro­men! Sie sol­len uns mit ihrem bezau­bern­den Bal­ken- und Lini­en­spiel, ihren modu­lier­ten visu­el­len Rück­kopp­lun­gen und geren­der­ten Oszil­la­to­ren ihr trau­ri­ges Lied sin­gen bis auch ihre Schalt­krei­se vor­über gehen mögen.“

Die Biblio­thek, eigent­lich Wis­sens-Ort der Ruhe und Ent­span­nung oder bes­ser: ein Archiv der Kon­zen­tra­ti­on, wird in die­sem Zuge umfunk­tio­niert zu einem stö­ren­den und stör­ri­schen Kon­zert­saal. Wis­sens­durs­ti­ge, die ansons­ten still und iso­liert auf ihren Plät­zen in Büchern ver­sun­ken sind, wer­den ersetzt durch Lau­schen­de, die zwi­schen Har­mo­nie und Dis­so­nanz hin und her tänzeln.

Am sel­ben Abend lädt qujOchÖ den Hel­den des öster­rei­chi­schen Dilet­tan­ten­stadls, Fritz Oster­may­er, Jour­na­list, FM4-Radio­lo­ge, DJ, Autor, Schau­spie­ler, Vor­trags­rei­sen­der und Musi­kant in General­per­son zu sich ein. Soeben wur­de auf mego, dem renom­mier­ten Wie­ner Post-Elek­tro­nik-Label, sei­ne zwölf Lie­der umfas­sen­de CD „Kitsch Con­crè­te“ ver­öf­fent­licht. Cover-Ver­sio­nen von The Sparks, John Cale und Nick Cave wer­den dabei mit Casio-Sounds und stö­ren­den Neben­ge­räu­schen ver­mengt, um auf der Suche nach der per­fek­ten dilet­tan­ti­schen Har­mo­nie per­ma­nent zu schei­tern: „Seit ewi­gen Zei­ten bin ich begeis­tert von den soge­nann­ten ‚Kom­merz­bands‘ am Land und ihren Key­boards. Ich lie­be die Syn­thie­sounds die­ser Kapel­len: die Pre­sets des Korg M1 (himm­li­sche Fake-Man­do­li­nen!), die gesam­pel­ten Bil­ligs­axo­pho­ne des DSS1, ganz zu schwei­gen von den schä­bi­gen Strei­chern mei­nes Cru­mar Bit1! Nie wür­de ich an die­sen Werksounds auch nur ein Jota ändern, höchs­tens noch mehr Hall auf die fal­sche Akus­tik­gi­tar­re in mei­nem 03R/W drauf­hau­en. Die­se bald aus­ge­stor­ben sein wer­den­de Tanz­saal-Ästhe­tik ist die Basis mei­ner Musik.“

Und als Drauf­ga­be gibt es eine Lesung von Tom Lam­ber­ty (Mer­ve-Ver­lag) aus Qrt’s Buch „Schlacht­fel­der der elek­tro­ni­schen Wüs­te“: „So erwar­ten viel­leicht man­che Leu­te, dass Schwar­zen­eg­ger im nächs­ten Krieg mit an die Front zieht, weil er doch der stärks­te Mann ist; wäh­rend ande­re den Golf­krieg für eine Pro­duk­ti­on von War­ner Bro­thers oder Colum­bia Pic­tures hal­ten.“ (Qrt, Schlacht­fel­der der elek­tro­ni­schen Wüs­te, Mer­ve, Ber­lin 1999)

Der Held ist die viel­leicht ältes­te und fast uni­ver­sel­le rhe­to­ri­sche Figur inner­halb des Sozia­len. Ein Held war und ist Krie­ger und Schau­spie­ler. Ein Held war und ist Zau­be­rer, Pro­phet und Pop­star in einer Per­son. Ein Held war und ist zudem (immer noch) bei­na­he aus­schließ­lich ein Mann. Was unter­schei­det jedoch die Hel­den der anti­ken Mytho­lo­gie von den Hel­den der spät­bür­ger­li­chen Gesell­schaft? An wen oder was appel­lie­ren die Hel­den der post­mo­der­nen Zeit? Wie ver­bin­det sich im Hel­den­tum die neue, media­le Kriegs­füh­rung in all ihren Spiel­ar­ten mit dem Clausewitz’schen Dik­tum vom Krieg? Und war­um, um Him­mels wil­len, ist Arnold Schwar­zen­eg­ger zum Gou­ver­neur von Kali­for­ni­en gewählt worden?

Mar­kus Wolf­gang Kon­ra­din Lei­ner ali­as Qrt ging die­sen und ähn­li­chen Fra­gen in sei­ner phi­lo­so­phi­schen Arbeit nach. Der 1996 im Alter von nur 31 Jah­ren an den Fol­gen exzes­si­ven Dro­gen­kon­sums gestor­be­ne Ber­li­ner Post­phi­lo­so­phen­punk ver­sucht in sei­nen Wer­ken, die Figur des Hel­den im Zeit­al­ter der Simu­la­ti­on zu rekon­stru­ie­ren. Ein Para­de­ex­em­plar des neu­en Hel­den­tums stellt nach Qrt dabei der Sport­ler, Schau­spie­ler und Poli­ti­ker Arnold Schwar­zen­eg­ger dar: „Der Über­gang vom sub­hu­ma­nen zum super­hu­ma­nen Heroi­schen ist von kei­nem so inkar­niert wor­den wie von Arnold Schwar­zen­eg­ger. Der Held im Medi­en­zeit­al­ter muss die Sehn­sucht der Men­schen nach dem Vie­hi­schen befrie­di­gen, aber die Hygie­ne­re­gel ein­hal­ten.“ Schwar­zen­eg­ger, der Con­an der ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik, stellt die per­fek­te Ver­bin­dung des all­um­fas­sen­den Hel­den zwi­schen Tier und Maschi­ne dar.

qrt ali­as Mar­kus Kon­ra­din Lei­ner, Theo­re­ti­ker und Bar­kee­per, starb 1995 an einer Über­do­sis Hero­in. Ver­öf­fent­li­chun­gen im Mer­ve-Ver­lag: Schlacht­fel­der der elek­tro­ni­schen Wüs­te (1999), Tek­kno­lo­gic (1999), Dra­chen­saat (2000)

Tom Lam­ber­ty, lang­jäh­ri­ger Freund von qrt und Her­aus­ge­ber von des­sen Wer­ken im Ver­lag Mer­ve, Ber­lin, ist Stra­te­gie­be­ra­ter und Stach­yo­lo­ge. Sei­ne Arbeits­schwer­punk­te sind Rake­ten­köp­fe, E‑HR, letz­te Mahl­zei­ten, Sche­ren­schnit­te, Helikoptersound.

Ein­tritt nur für dilet­tan­ti­sche Hel­din­nen und Helden …

(Fotos: qujOchÖ)