Temperatursturz
kid606 (US) ///
Dwayne Sodahberk (SE) ///
DJ/rupture (US) ///
Die, 30. September 2003, 20:00 Uhr ///
Hafengelände Linz ///
„Some say the world will end in fire, some say in ice.“ (Robert Frost, amerikanischer Poet, 1874 – 1963)
Das Kunst- und Kulturkollektiv „qujOchÖ. spitzenmäßige Plateaukonstruktionen“ nimmt sich dieses Zitat des großen amerikanischen Poeten Robert Frost zu Herzen. Im Hafengelände Linz prallen am 30. September 2003 im Rahmen der „q_musik“-Reihe die wallenden Soundpartikel der Tigerbeat6-Tour mit deren Protagonisten kid606 (USA), Dwayne Sodahberk (SWE) und DJ/rupture (USA) auf ein vor sich hin frierendes und bibberndes Auditorium.
Drei Kühl-LKWs schaffen den geeigneten Rahmen für eine Erfahrung der kälteren Art. Umfunktioniert zum Publikumsraum wird das Innere dieser LKWs auf frostige Temperaturen von bis zu minus 10 Grad abgekühlt. Bei einem langjährigen Tagesmittel von rund 15 Grad in Oberösterreich zu dieser Jahreszeit (Quelle: Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) bedeutet dies einen Temperatursturz von minus 25 Grad in wenigen Augenblicken. Frostschutz ist somit Pflicht und der Eintritt nur mit Winterkleidung erlaubt. Eventuellen Erfrierungs- und Verkühlungserscheinungen wird durch Glühwein und Backerbsensuppe entgegengewirkt.
Eine Reduktion der „qujOchÖ“-Experimente auf reine Sadismusmaschinen wäre allerdings zu einfach. Vielmehr wird – dem Lustprinzip von Wirkung und Gegenwirkung folgend – der Kälte des Kontextes eine substanzielle Wärme in Form von visuellen Projektionen (Wüste, Sonne, Meer, Feuer) sowie der dickdarmmassierenden Beats und Clicks der Tigerbeat6-Posse entgegengesetzt. Im gleichen Zug, in welchem sich das Publikum also seinen Hintern abfriert, wird ihm mit wuchtigen und drückenden Soundcollagen der Schweiß auf die Stirn getrieben.
Garant hierfür ist zuvorderst kid606 aka Miguel Depedro, Wunderkind der american elektronika und derzeit wohl einer der umtriebigsten Producer und Remixer in diesem Bereich. Alleine in den letzten beiden Jahren erschienen über 40 Releases auf dem von ihm betriebenen Oaklander Label „Tigerbeat6“, unter anderem von und mit Numbers, Kevin Blechdom, Aelters, Merzbow oder Dälek. Neben seiner Tätigkeit als Producer lieferte kid606 in dieser Zeit auch eine Reihe an Remixes für Foetus, Super Furry Animals, Peaches, Ruby oder Depeche Mode ab. Musikalisch lässt sich kid606 irgendwo jenseits von Hardcore-Breakbeat, Post-Jungle, G4-Frickeleien und melodiösen Soundwallarrangements einordnen.
Begleitet wird kid606 von Dwayne Sodahberk und DJ/rupture. Sodahberk ist Betreiber des schwedischen Elektroniklabels „Suporstonika“ und aphexisierender Meister des Underground Techno und Minimal House. Selten wurden so glänzende Versuche unternommen, Verbindungslinien zwischen Velvet Underground und Autechre oder Sonic Youth und Aphex Twin herzustellen. Sodahberk meistert dies jedoch beinahe spielerisch wie seine auf Tigerbeat6 erschienenen Alben „Don’t want to know you“ (meow058) oder „Partying without inhibition or indignity“ (meow 071) belegen.
DJ/rupture, der Dritte im Bunde der Tigerbeat6-Tour, wartet mit einer kongenialen Mischung aus Hip-Hop, Afrobeat, Noise, Ragga, RnB und Digital Music auf. Neben seiner Zusammenarbeit mit Godspeed You Black Emperor!, Dat Politics, Mouse on Mars oder der achtfachen Grammy-Gewinnerin Norah Jones wurde DJ/rupture vor allem durch sein 2002 auf dem Tigerbeat6-Label erschienenes Album „Minesweeper Suite“ (meow045) bekannt. Das renommierte WIRE-Magazin wählte das Album zu einem der 10 besten des Jahres 2002: „The nerve and technique are extraordinary, propelled by a vision that extends far beyond the usual ‚global village‘ reductivism of most ethno/electronic projects.“ Von John Peel wurde DJ/rupture vor kurzem zu einer seiner legendären BBC-Radio-Liveshows eingeladen und DE:BUG verlieh im gar den Titel „Bester DJ der Welt“.
Winterkleidung unbedingt erforderlich! Kein Scherz!
(Fotos: qujOchÖ)